Über die Demut

Eine nicht zu unterschätzende Pointe des heutigen Evangeliums ist der Satz: „Da beobachtete man Jesus genau.“ Der Saal füllt sich, und man schaut, was Jesus macht. Aber es ist natürlich auch genau umgekehrt. Jesus als Beobachter der Szene.
Es ist dieser reinigende, klare Blick Jesu, der auf mein Herz schaut.
„Liebst du mich oder willst du einfach nur von allen geliebt und geehrt werden?“
Es geht um das Thema Demut und wahrscheinlich erzählen heute 99 % der Prediger, dass das Thema Demut in Tagen wie diesen, wo sich jeder in einem tollen Licht darstellen muss, entsprechend schwierig ist. Aber ich glaube, das war nie einfach. Die Demut ist dezidiert eine christlich-jüdische Tugend, die es immer schwierig hatte. Zu allen Zeiten.
Das beweisen mir auch Sprichwörter, die total gegen das laufen, was uns heute in den Texten der Bibel präsentiert wird.
- Frechheit siegt.
- Mach dich nicht so klein, so groß bist du gar nicht.
- Bescheidenheit ist eine Zier, doch besser geht es ohne ihr.
- Nur keine falsche Bescheidenheit.
- Meine Demut ist mein ganzer Stolz.
Es sind die Großen und kleinen Heiligen, die mir helfen, zu begreifen, was mit Demut gemeint ist. Es muss doch diesen Zugang zur Demut geben, ohne dass ich meine Talente aufgebe… Eine Demut, wo ich dennoch Selbstwert habe und mich als Gottes geliebtes Kind angenommen fühle.
Ja, lassen wir die großen und kleinen Heiligen sprechen.
Johannes Chrysostomos und Charles de Foucault zwischen diesen Heiligen liegen 1500 Jahre und doch haben sie annähernd das gleiche formuliert.
- Magst du auch noch so tief gedemütigt werden, du kannst nicht so weit hinunter steigen wie dein Herr. (Johannes Chrysostomos)
- Gott hat den letzten Platz eingenommen, so sehr, dass niemand einen noch niedrigeren einnehmen konnte. (Charles de Foucault)
Und wer schon einmal die drei österlichen Tage ganz gefeiert hat, der weiß, hier ist Jesus gemeint, der seinen Jüngern die Füße wäscht und sich selbst klein macht.
Und es ist Bernhard von Clairvaux, der uns einlädt, darüber nachzudenken, wie Gott wachsen kann. Gott ist groß und allmächtig und kann in seiner Größe nicht wachsen. Er wird Mensch. Er wird erniedrigt. Er wächst in der Demut.
Aber, ich möchte wenigstens kurz rein praktisch werden. Es gibt nämlich die Momente in meinem Leben, wo es leicht ist, für mich demütig zu sein. Neudeutsch Flow. Wenn ich im Flow bin, gehen wir Sachen leicht von der Hand. Wenn ich mich nur auf die Sache beziehe. Wenn ich ein großes Interesse habe. Eben dann kommen mir keine Gedanken, wie kann ich meinen Bruder und meine Schwester entsprechend klein halten. Wie stehe ich jetzt am besten da. Bei echter Hingabe kommt kein solcher Gedanke.
Oder der Verliebte. Ihm fällt die Demut leicht, weil sein Herz erfüllt ist und er sich nur darin bemüht, dass der andere groß ist. Groß sein lässt meine Seele den Herrn.
In der Hingabe, zur Musik, zum Gesang, zu Wissenschaft, zum geliebten Menschen, zu Gott, sind wir da nicht automatisch demütig?
Gestern war ich in der Kartause Gaming.
Und da habe ich mich ein wenig mit den Kartäusern und deren Spiritualität beschäftigt. Wussten Sie, dass die Kartäuser die heilige Barbara auch besonders verehren? Sie ist ja eigentlich die Patronin in der Bergleute und in unseren Breiten im Allgemeinen ja sehr beliebt. Aber was hat Barbara mit den Kartäuser zu tun? Es geht um die Legende und darum, dass sie unheimlich gescheit und hübsch war. Und ihr Vater wollte sie vor der Welt und vor Christus verstecken.
Er ließ sie in einen Turm einsperren, und dort hatte sie alles, was sie zum Leben brauchte. Niemand sah ihren Fleiß, ihre Gebete, ihre Hingabe.
Und genau das ist es, was der Kartäuser tut. Es sieht keiner, dass die Mönche ihr Holz selber hacken, dass sie freitags nur Wasser und Brot essen und dass um Mitternacht aufstehen um mehrere Stunden zu beten. Sicherlich irgendwie eine vollendete Form der Demut. Es wird höchstwahrscheinlich keiner hier in der Kirche so radikal leben wie der heilige Bruno und seine Gefährten.
Aber eine Übung, die scheint mir auch für einen jeden von uns in irgendeiner Weise nachahmenswert. Es ist der kleine Garten, den jeder Kartäuser bei seiner Zelle hat und den er pflegen und hegen kann, wie er will.
Kein Nachbar, der sagt, was haben Sie ihren Garten so schön.
Nur ich sehe es und Gott sieht es. Und Gott sah, dass es gut war. (Gen 1) Diese kleine, gemeinsam Freude. Nur Gott und ich. Das wünsche ich Ihnen.